
Die acht Jahreszeiten der Sami
Eine Erzählung
Im Land der Mitternachtssonne, wo die Winde über die endlosen Ebenen streifen und die Berge sich majestätisch gegen den Himmel erheben,
dort, in der weitläufigen Wildness Nordschwedens, tanzt das Leben im Rhythmus der Jahreszeiten.
Doch anders als in den Ländern weiter südlich, wo vier Jahreszeiten das Jahr in klare Abschnitte teilen, kennen die Sami, die Ureinwohner dieser Region, acht Jahreszeiten. Diese geben ihnen den Rhythmus vor, der ihr Leben schon immer beherrschte.
Ihre Welt ist eine, die sich im Einklang mit der Natur bewegt, deren Herzschlag in jedem Windstoß und jedem Flüstern der Bäume widerhallt.
Auch wenn heute, in der modernen Zeit sich viele Dinge verändert haben, so gelten doch häufig noch die bewährten Regeln der vergangenen Zeiten.
1. Es beginnt mit Giehkoe
Das Jahr beginnt mit Giehkoe.
Wenn die ersten Schneeflocken vom Himmel tanzen und die Welt in ein funkelndes Kleid aus Weiß hüllen, dann beginnt die Jahreszeit, die die Sami Giehkoe nennen.
Die Sami bereiten sich vor, ihre Rentiere zu den Winterweiden zu führen und sorgen für die dunklen Monate vor, bevor der Schnee wie eine schützende Decke über das Land fällt.
Sie legen Vorräte an, um der kommenden eisigen Jahreszeit so gut, wie möglich, zu trotzen. Auch machen sie selbst sich auf den Weg in ihr eigenes Winterquartier.
Es steht nun die härteste Jahreszeit bevor, mit ihren eisigen Winden, die über die Weite der Arktis wehen.
2. Dávkoe folgt
Dávkoe folgt, wenn der Winter seinen Höhepunkt erreicht und die Erde in eisiger Starre verharrt.
Unter der eisigen Decke ruht nun das Leben, und die Sami halten die Flammen der Hoffnung am Brennen. Die Hoffnung, auch diesen Winter wieder gut zu überstehen.
Noch mehr als sonst beschützen und pflegen sie ihre Rentiere, als wären sie die Hüter des Lichts in der Dunkelheit.
Doch selbst in der schlimmsten Kälte des Winters, wenn die Nächte nicht enden wollen finden die Sami Wärme und Trost in der Gemeinschaft.
Wenn die Sterne über den verschneiten Wäldern glitzern, und mit dem klaren Himmel die Kälte noch klirrender ist, finden sie Hoffnung in den lodernden Feuern ihrer Häuser.
3. Dann kommt Čearru
Dann kommt Čearru. Die Tage werden nun spürbar länger und die ersten Anzeichen des Frühlings zeigen sich in der Luft zeigen.
Die hier verbliebenen Vögel werden munterer und bevölkern auf der Suche nach Nahrung die Lüfte.
Die Welt erwacht aus ihrem eisigen Schlaf, und die Sami beginnen sich auf die kommenden Wanderungen ihrer Rentiere vorzubereiten.
Dabei begrüßen sie den Wandel der Jahreszeiten mit Freude. Manch Tag verspricht ein wenig Wärme, und die Sonne kommt immer öfter zum Vorschein.
Nun verbleibt sie bereits für viele Stunden am Himmel und gibt ein Versprechen ab: Mit meiner Kraft vertreibe ich den Winter.
4. Gijrra folgt
Gijrra folgt, wenn der Frühling seine volle Blüte erreicht. Der Schnee ist nun fast überall geschmolzen.
Nur an Stellen, wo die Sonne nicht hinkommt, liegt noch ein wenig Schnee. Das übrige Land taucht in ein Meer aus saftigem Grün.
Die Sami feiern das Erwachen der Natur mit Festen und Ritualen, die seit Jahrhunderten überliefert wurden.
Sie bereiten sich darauf vor, ihre Rentiere auf die Sommerweiden zu führen, wo diese sich unter dem warmen Sonnenlicht laben können.
Die Sonne hat bereits viel Kraft und bereitet sich bereits darauf vor, die ganze Nacht über zu leuchten. Mittsommer ist nicht mehr fern.
5. Geassemannu kommt
Geassemannu kommt dann, wenn der Sommer langsam, aber endgültig Einzug hält.
Nun scheinen sich die Tage zu dehnen, als würden sie die Zeit selbst herausfordern.
Die Sami nutzen diese Zeit, um ihre Rentiere wie zu jeder anderen Jahreszeit auch, zu hüten und zu pflegen. Mensch und Tier entspannen sich, und genießen diese kurze Zeit der Ruhe.
Die Natur bietet jetzt eine Fülle von Nahrungsmitteln.
Der Fischfang sorgt ebenso für eine reich gedeckten Tisch, wie die anderen Gaben der Natur.
Beeren lassen sich sammeln, mit denen man sich auch für den Wnter bevorraten kann.
Sie geben Kraft und spenden Nahrung im Übermaß.
6. Suoidnemánnu - Sommer
Suoidnemánnu, die Zeit des Hochsommers, bringt Hitze und Glut über das Land.
Die Sonne steht hoch am Himmel und das Licht beherrscht den Tag. Es ist, als würde sich nie wieder Dunkelheit über das Land legen.
Die Sami Familien sind nun sehr aktiv, und weben Körbe aus den zarten Ästen der Bäume und den Blättern geeigneter Pflanzen.
Sie stellen allerlei Gebrauchsgegenstände her, die ihnen im langen Winter zugute kommen.
Sie schnitzen kunstvolle Muster in das Holz, das sie sammeln, als würden sie die Geschichte ihres Volkes in jedem einzelnen Strich verewigen.
7. Gåetie - Der Abschied
Dann kommt Gåetie, wenn der Herbst langsam Einzug hält und die Blätter der Bäume sich in ein Feuerwerk aus Farben verwandeln.
Es wird wieder kälter und der Winter lässt sich bereits jetzt an manchen Tagen erahnen.
Die Sami ziehen sich langsam in ihre Häuser zurück, um sich auf den bevorstehenden Winter vorzubereiten.
Schnell sammeln sie noch die letzten Gaben der Natur in Form von Pilzen und Beeren.
Diese essen, aber trocknen sie auch, um im kalten Winter auf diese Vorräte zurückgreifen zu können.
8. Skábma - Der Winter naht
Schließlich kommt Skábma, die Zeit des Herbstes, wenn die arktische Welt sich auf den Winter vorbereitet.
Wenn die ersten Schneeflocken vom Himmel fallen, befindet sich in der Regel kein Blatt mehr am Baum.
Es ist an der Zeit, dass sich Mensch und Tier einige wenige, letzte Male satt essen, bevor die Zeit des Mangels beginnt.
Denn im Winter mangelt es an allem: An ausreichender Nahrung, an Wärme, an Feuerholz, und auch an Licht.
Aber die Sami halten zusammen, um sich gegen die Kälte zu wappnen, während sie die letzten Vorbereitungen treffen, um den Winter zu überstehen, der vor der bereits kräftig an die Haustür klopft.
Warum gibt es acht Jahreszeiten?
Warum gibt es acht Jahreszeiten, fragt sich mancher, der die Geschichte der Sami hört.
Die Antwort liegt tief verwurzelt in der Natur dieser Landschaft, in den sanften Hügeln und den wilden Wäldern, die das Land der Sami ausmachen.
Denn hier, in dieser rauen und zugleich faszinierenden Landschaft, ist die Veränderung des Wetters und der Pflanzenwelt subtil und doch unverkennbar.
Die Sami haben gelernt, die Zeichen der Natur zu lesen wie ein Buch, dessen Seiten sich im Wind wiegen.
Vier Jahreszeiten sind nicht genug
Dabei haben sie erkannt, dass vier Jahreszeiten nicht ausreichen, um die Feinheiten dieses Buches vollständig zu erfassen.
Die acht Jahreszeiten der Sami sind ein Spiegelbild der Vielfalt und Komplexität der Natur in Nordschweden, und allgemein im arktischen Lebensraum.
Jede Jahreszeit hat ihre eigenen charakteristischen Merkmale, ihre eigenen Farben und Klänge, die das Leben der Sami auf einzigartige Weise Jahrtausende lang prägten, und immer noch beeinflussen.
Durch die Unterteilung des Jahres in acht Jahreszeiten können die Sami die verschiedenen Facetten der Natur in ihrer Region besser erfassen und nutzen, um ihr tägliches Leben zu führen.
Noch immer haben der Alltag, die Freizeit und das Verdienen des Lebensunterhalts der Samen engen Bezug zur Natur.
Doch die acht Jahreszeiten der Sami sind mehr als nur ein praktisches Werkzeug zur Orientierung in der Natur.
Sie sind ein Teil der Identität der Sami, ein Erbe, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, wie eine heilige Flamme, die niemals erlischt.
Vergangenheit & Zukunft der Sami
Die acht Jahreszeiten sind eine Verbindung zur Vergangenheit und eine Brücke zur Zukunft, die die Sami mit Stolz und Ehrfurcht tragen.
Denn in den acht Jahreszeiten der Sami steckt mehr als nur Wissen über die Natur.
Sie sind ein Ausdruck der tiefen Verbundenheit der Sami mit ihrer Umwelt, ein Zeugnis ihrer kulturellen und spirituellen Beziehung zur Natur und den Elementen.
Sie sind eine Erinnerung daran, dass wir Menschen nur ein Teil eines größeren Ganzen sind, das wir oft vergessen in unserer modernen Welt.
Die Sami leben im Einklang mit der Natur, im Rhythmus der Jahreszeiten.
So haben sie viel zu lehren über Respekt, Demut und Dankbarkeit gegenüber der Erde, ihrer Früchte und all ihren Geschöpfen.
Die Lehre der Sami
Ihre Lebensweise mag einfach erscheinen, in den Augen vieler, doch in ihrer Einfachheit liegt eine tiefe Weisheit, die uns daran erinnert, dass wir alle nur Gäste auf diesem wunderbaren Planeten sind.
So mögen die acht Jahreszeiten der Sami eine Lehre sein für uns alle, eine Erinnerung daran, dass wir die Natur achten und schützen müssen.
Denn die Erde ist unsere Mutter und unsere Heimat. Wir haben nur sie. Mögen wir also von den Sami lernen, im Einklang mit der Natur zu leben.
Mögen wir die Weisheit der Sami und ihre Liebe zur Erde in unseren Herzen tragen, heute und in alle Ewigkeit, um dem von uns, in den Industrieländern verursachtem Klimawandel, Einhalt zu gebieten.

Die acht Jahreszeiten aus unserer deutschen Sicht
Die zweite Jahreszeit
Die acht Jahreszeiten der Sami
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Ein Wintertraum